Stellungnahme des Deutsch-Palästinensischen Vereins Braunschweig (DPV) zur aktuellen Eskalation in Palästina

„Ihr seid nicht schuld an dem, was war, aber verantwortlich dafür, dass es nicht mehr geschieht.“ (Max Mannheimer 1920-2016, Holocaust-Überlebender)

Am 08. Mai gedenken viele an den Tag, an dem der Zweite Weltkrieg in Europa zu Ende ging. Jedoch werden wir als Palästinenser immer wieder mit derartigen Kriegen konfrontiert. Es steht in der Verantwortung eines jeden, dass diese Kriege nicht immer wieder entfachen. Was geschieht denn in Jerusalem und was ist das Problem von Sheikh Jarrah, dem Stadtviertel in Jerusalem, der Auslöser der aktuellen Eskalation ist? Nach Ende der britischen Mandatszeit wurden 1948 zur Staatsgründung Israels 700.000 arabische Palästinenser vertrieben, auch bekannt als Nakba (arabisch für Unglück oder Katastrophe). Für 28 Familien einigte sich das jordanische Königreich (als Verwalter der West Bank) mit der UNRWA (Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten), dass diese Leute Grundstücke im Osten Jerusalems zugeteilt kriegen. Dieses Viertel wurde als das Sheikh Jarrah-Viertel bezeichnet und bestand nun aus diesen 28 vertriebenen Familien. Es wurde beschlossen, dass nach drei Jahren den Bewohnern des Viertels Besitzurkunden gegeben werden, sodass sie einen schriftlichen Beweis zum rechtlichen Besitz haben. Dies ist jedoch nicht geschehen. Über die Jahre hinweg wurde diesbezüglich nichts unternommen, während die Zionisten jedoch versuchten zu beweisen, dass die im Viertel lebenden Palästinenser die Grundstücke unrechtmäßig besetzten und dass diese Grundstücke ihnen gehörten. Seit 1972 behaupten der Ausschuss der Sephardim und der Ausschuss der israelischen Knesset im Besitz der Grundstücke gewesen zu sein, als die Häuser im Jahr 1855 auf dem Land gebaut wurden. 2008/09 entschied das israelische Gericht, dass eine Familie sich das Haus zur Hälfte mit einer zionistischen Familie teilen muss. 2 weitere Familien wurden sogar komplett vertrieben. Nach israelischem Recht haben jüdische Besitzer solcher Häuser nämlich ein Anrecht, ihre Häuser zurückzuerhalten. Umgekehrt gilt aber für Palästinenser, die 1948 ihre Häuser verloren, kein solches Recht. 

2021 sollen weitere Familien des Viertels, welche jetzt ca. 500 Personen betragen, vertrieben werden ohne dass sie einen Zufluchtsort haben. Seit Wochen protestieren und demonstrieren die Einwohner des Viertels friedlich gegen ihre völkerrechtswidrige Vertreibung aus ihren eigenen Häusern. Israelische Siedler versuchten jedoch öfters das Viertel anzugreifen. Die ständigen Angriffe sorgten dafür, dass sich die Lage in Jerusalem immens zugespitzt hat. Dazu kamen Angriffe auf die Al-Aqsa Moschee in Jerusalem, der drittheiligsten Gebetsstätte im Islam, bei der die israelische Polizei palästinensische Gläubige beim Ramadan-Abendgebet angegriffen und dabei viele verletzt haben. Unterdrückte Palästinenser aus Jerusalem appellierten um Unterstützung. Daraufhin stellte Hamas ein Ultimatum, in welchem sie die israelische Regierung zum Stopp der gewalttätigen Angriffe auf die Palästinenser in Jerusalem und der Vertreibung der Familien aus Sheikh Jarrah aufrief. Am Montag (10. Mai) um 18:00 endete das Ultimatum, worauf Hamas israelische Gebiete mit Raketen beschoss. Israelische Militärkräfte reagierten und bombardierten Teile des Gazastreifens, bis jetzt sind 43 Palästinenser gestorben und unter den ersten Opfern dieser Angriffe waren wieder Kinder und Frauen (in den ersten Stunden starben 13 Kinder und 3 Frauen, mittlerweile sind es jedoch schon 16 Kinder, 5 Frauen und 365 andere Verletzte). Wir fragen die internationale Staatengemeinschaft, die sonst immer Menschenrechtsverletzungen laut anprangert und Demokratie sowie Freiheit fordert: Wo bleibt der internationale Widerstand gegen die Vertreibungen? Auch missachtet die israelische Regierung durch ihre Besatzungspolitik permanent die multikulturelle und multireligiöse Identität der Heiligen Stadt. Daher fordert der Deutsch-Palästinensische Verein in Braunschweig von der deutschen Kanzlerin, dies der israelischen Seite zu vermitteln, die Gewaltspirale zu brechen und zu verhindern, dass Kinder und unschuldige Menschen die größten Opfer dieser Gewalt werden, denn sowohl Israelis als auch Palästinenser haben einen Anspruch auf friedliches Leben. Insbesondere die gezielte Vernichtung ganzer Hochhäuser halten wir für illegal