Presseerklärung der Palästinensischen Gemeinden in Braunschweig und Umgebung 07.10.2025

„Es hat nicht am 7. Oktober begonnen – sondern 77 Jahre früher.“

Am 7. Oktober 2023 geschah ein Ereignis, das weltweit Schlagzeilen machte und seither fälschlicherweise als Beginn einer neuen Eskalation bezeichnet wird. An diesem Tag wurden Menschen auf beiden Seiten ermordet. Doch diese Darstellung darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Gewalt, die Unterdrückung und das Leid des palästinensischen Volkes nicht am 7. Oktober begonnen haben, sondern vor 77 Jahren – mit der Nakba 1948, der gewaltsamen Vertreibung von über 750.000 Palästinenserinnen und Palästinensern aus ihrer Heimat.

Seitdem erleben die Menschen in Palästina eine nicht endende Geschichte von Enteignung, Besatzung, Entrechtung und kollektiver Bestrafung. Dieses Leid besteht seit Jahrzehnten – und hat sich in den letzten zwei Jahren zu einem beispiellosen, systematisch geplanten und mit unvorstellbarer Grausamkeit ausgeführten Völkermord durch Israel entwickelt. Über 65.000 Palästinenserinnen und Palästinenser wurden dabei ermordet, darunter mehr als 20.000 Kinder. Zehntausende weitere liegen bis heute unter den Trümmern ihrer Häuser begraben.

Wir, die palästinensischen Gemeinden in Braunschweig und Umgebung, bekräftigen mit aller Deutlichkeit: Wir lehnen Gewalt gegen Zivilisten ab und treten für das Leben eines jeden Menschen ein – egal, welcher Herkunft oder Religion. Doch wir müssen zugleich betonen: Ein israelisches Leben ist nicht wertvoller als ein palästinensisches Leben. Diese Selbstverständlichkeit wurde uns durch Politik, Medien und gesellschaftliche Reaktionen – insbesondere in Deutschland und im sogenannten „freien Westen“ – schmerzhaft verweigert.

Während in den letzten zwei Jahren ständig über israelische Geiseln berichtet wurde, blieben über 10.000 palästinensische Gefangene, die unter menschenunwürdigen Bedingungen in israelischen Gefängnissen festgehalten werden, nahezu unsichtbar. Ebenso wird der tägliche Terror durch israelische Siedler – der lange vor dem 7. Oktober existierte und bis heute anhält – weitgehend verschwiegen.

Auch der Generalsekretär der Vereinten Nationen erinnerte bereits daran, dass der 7. Oktober „nicht aus einem Vakuum“ entstanden ist. Wenn nach der Rückkehr israelischer Geiseln die palästinensische Tragödie erneut aus der globalen Aufmerksamkeit verschwindet, dann wird das Leid unseres Volkes weitergehen – und genau das darf nicht geschehen.

Zu den grausamsten und erschütterndsten Verbrechen zählen auch die gezielt herbeigeführte Hungersnot, der die palästinensische Zivilbevölkerung ausgeliefert ist, sowie die öffentliche Folterung und Aufhängung palästinensischer Menschen durch israelische Soldaten. Diese Bilder, die bewusst verbreitet werden sollen, um ein ganzes Volk zu demütigen und zu brechen, erinnern unweigerlich an die dunkelsten Kapitel menschlicher Geschichte und zeigen, wie tief dieser Abgrund inzwischen reicht.

Wir klagen außerdem die zunehmende Repression palästinensischer Stimmen in Deutschland und im Westen an. Menschen, die nichts anderes tun, als für Gerechtigkeit und Freiheit einzutreten, werden diffamiert und kriminalisiert. Slogans wie „Free Palestine“, die für Freiheit, Gerechtigkeit und Selbstbestimmung stehen, werden als extremistisch dargestellt – ein klarer Verstoß gegen jede moralische und demokratische Grundordnung.

Unsere Forderungen sind klar: Wir wollen Frieden, Freiheit und die Rückkehr in unser Land. Wir wollen dort einen eigenen Staat und souveräne Strukturen aufbauen – frei von Fremdherrschaft und kolonialer Kontrolle. Pläne, wie sie von der US-Regierung oder von Politikern wie Tony Blair vorgeschlagen werden, lehnen wir entschieden ab – besonders wenn sie von jenen kommen, deren Länder eine wesentliche Mitverantwortung für die Entstehung dieses Konflikts tragen.

Von Deutschland erwarten wir, dass es zu internationalem Recht und zu seiner eigenen historischen Verantwortung steht. Das „Nie wieder“, das nach der Shoah zum moralischen Fundament deutscher Politik erklärt wurde, muss für alle Menschen gelten – auch für Palästinenser.

Wir sind empört über das laute Schweigen und die Untätigkeit der deutschen Politik. Zwar gibt es inzwischen vereinzelte, vorsichtige Stimmen, die Israels Kriegsverbrechen in Gaza kritisieren, doch gleichzeitig werden weiterhin Waffen geliefert – entgegen öffentlicher Beteuerungen.

Noch einmal: Es hat nicht am 7. Oktober begonnen.
Und es wird nicht enden, solange die internationale Gemeinschaft wegschaut, solange doppelte Standards herrschen, und solange das palästinensische Volk seines Rechts auf Freiheit, Gerechtigkeit und Selbstbestimmung beraubt wird.

Braunschweig, den 07.10.2025